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Die ersten Zisterzienserinnen

  • Beitrags-Kategorie:Geschichte
  • Lesedauer:8 min Lesezeit

Schon seit der Antike lässt sich beobachten, dass dem monastischen Leben der Männer rasch auch die verwandten Frauen folgten (siehe Basilius, Cassian, Benedikt). Daher sollte es nicht verwundern, dass zwischen der Entstehung des Zisterzienserordens und der Herausbildung seines weiblichen Zweigs – allen administrativen Spitzfindigkeiten zum Trotz – höchstens 15 Jahre liegen.


Das hängt schon damit zusammen, dass bei dem Masseneintritt der Gefährten Bernhards von Clairvaux im Jahre 1113 viele Ehemänner ihre Frauen ja irgendwo lassen mussten. Eine Trennung von Ehepartnern zu diesem Zweck war ja nur dann möglich, wenn beide Seiten zu einem Ordensleben bereit waren. Das Aufnahmekloster für die Frauen dieser neuen Mönche war Molesme. Und sicher war es das auch schon zuvor in diesen Familien gewesen, denn Molesme war noch im 11. Jahrhundert ein klassisches benediktinisches Doppelkloster geworden.


Die Entwicklung der Frauenklöster des Ordens aber war von Anfang an weit komplizierter und vielgestaltiger als jene der Männer. Das liegt nicht nur an rechtlichen Details, die geklärt werden mussten, sondern auch an der großen Bandbreite dessen, was die Zeitgenossen und die Frauen selbst über das dachten, was sie in diesem Zusammenhang leisten konnten. Davon geben eine Schrift des Hermann von Tournai, aber auch eine dialogische Streitschrift des Idung von Prüfening – beide ca. 1150 – ein beredtes Zeugnis. Doch schon bis dahin entfaltete sich das Erscheinungsbild von Zisterzienserinnen auf mindestens dreifache Weise.


Im zweiten Jahrzehnt des 12. Jahrhunderts platzte Molesme aus allen Nähten, sodass ein Verwandter des hl. Bernhard, Graf Milo von Bar, den Grund und Boden für das Frauenkloster Jully stiftete und es als Priorat Molesme unterstellte, da Cîteaux ja für kein Frauenkloster verantwortlich sein wollte. Vier Mönche von Molesme sollten fortan von außerhalb dem geistlichen Leben der Frauen dienen, lediglich im Sterbefall gab es direkten Kontakt. Doch auch Jully entwickelte sich schnell, zu schnell. Schon zwei Jahre nach der Kirchweihe im Jahre 1118 zogen daher die ersten Schwestern aus, um Tart zu gründen, die wohl erste selbständige Frauenabtei seit der Karolingerzeit. Kurze Zeit später zog die Priorin aus und gründete ein neues Priorat. Es kriselte bis ein fünfköpfiges Team, bestehend aus vier Zisterzienseräbten und dem Benediktinerabt von
Molesme neue Statuten ausarbeitete. Von da an blühte das Priorat. Zum Leitungsteam gehörte als Priorin in jener Zeit Hombéline, die leibliche Schwester des hl. Bernhard, und Petrus, der Weggefährte des Stephan Harding, und das Kloster gründete Filialen. Doch Jully blieb – rechtlich gesehen – immer ein Benediktinerinnenpriorat, wenngleich manch ein Zisterzienserbischof später mutig aus einem abhängigen Priorat Jullys eine Zisterzienserabtei machte.


Doch auch anderswo explodierte die Nachfrage nach Frauenklöstern des neuen Zisterzienserordens. In Savoyen war 1117 auch ein Graf mit vielen Angehörigen ins Kloster gegangen, sodass der zuständige Bischof kurzerhand ein Frauenpriorat errichtete und das neue Männerkloster zum geistlichen Versorgungsdienst verpflichtete. Das war das etablierte Modell der Cluniazenser, angewandt auf den neuen Orden. Die Abtei Bonneval wurde so zur ersten Zisterzienserabtei mit einem Frauenpriorat. Der es errichtete, war kein Geringerer als Erzbischof Guido von Vienne, der kurze Zeit später als Calixtus II. dem neuen Orden seine Gründungsverfassung in Form der Carta
Caritatis verlieh. So spaltete sich die Lebensform von Anfang an in streng klausurierte Nonnen, die vegetarisch lebten und in Gebet, klassischer weiblicher Handarbeit und mit Fasten ihr Leben verbrachten, eine Richtung, in die ab 1128 auch Jully tendierte und in die mehr aktive Lebensform mit offener Klausur und Feldarbeit, die anfangs in Tart und seinen Töchtern praktiziert wurde und die von den Männern anerkennenswert mit „Alles kann, wer glaubt“ kommentiert wurde. Und genauso vielgestaltig und schwierig entwickelte sich die rechtliche Komponente, als sich zunächst einzelne Abteien und dann auch der Orden anschickten, sich aus dem diözesanen Kontext zu lösen,
was bei den Frauenabteien nur sporadisch gelang.

Und noch etwas: Als Missbrauchsskandale im Klerus der Kirche ab den 1120er Jahren zum öffentlichen Thema wurden und sie sich auch innerhalb der neuen Orden, vor allem in den Doppelklöstern Mitte der 1230er Jahre zum gesellschaftlichen Ärgernis ausweiteten, reagierten die Zisterzienser sehr restriktiv bei einer angetragenen Zuständigkeit für weibliche Neugründungen oder verweigerten sie, wo sie konnten, ganz. Eine Entwicklung wurde ausgebremst. Für den Rest des 12. Jahrhunderts war die Gründungsdichte zisterziensischer Frauenklöster von da an sehr überschaubar. Die Seelsorge solcher Neugründungen wurde nun von Regularkanonikern übernommen. Die Priorate verschwanden. Klassische Form wurde die Frauenabtei.

Bemerkenswert ist, dass viele der späteren Abteien ihren Ausgang bei Hospitälern nahmen (Bamberg, Halberstadt, Seligenthal) oder an Pilgerrouten lagen (Wechterswinkel, Königsbruck). Es dürfte nicht übertrieben sein, dass sich viele Frauenzisterzen auch dem Krankendienst von Armen und Reisenden widmeten.