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Ein Pilger aus Spanien

  • Beitrags-Kategorie:Geschichte
  • Lesedauer:5 min Lesezeit

Es war im Jahr 1970

Vor dem katholischen Pfarramt in Eisleben steht ein Herr mit schwarzem Hut. Der deutschen Sprache nicht mächtig, wiederholt er nur ein Wort: HELFTA.

Er ist ein Ordensmann aus Spanien, der das Kloster Helfta besuchen möchte. Den Einwand des Pfarrers: „Es gibt kein Kloster Helfta“, lässt er nicht gelten und verweist auf alte Schriften.

Ein spanischer Ordensmann will zum Kloster Helfta

Um seine Ernsthaftigkeit und Glaubwürdigkeit zu bezeugen, holt er aus seinem Reisekoffer seinen römischen Talar. In lateinischer Sprache wiederholt er den Wunsch, um dessentwillen er die Strapaze der weiten Reise auf sich genommen hat: Er will nach Helfta.

Da kann der Ortspfarrer Hübner nicht widerstehen. Er holt seinen „Wartburg“ aus der Garage und macht sich mit seinem Gast auf den Weg zum VEG. An der Pforte ist er bekannt. Eine Hosentasche voller westlicher Zigaretten (HB) tun ihr übriges, und erleichtern des Eingang in ein eigentlich „verbotenes Territorium“.

Anblick der Kirchenruine am Ende der DDR
Kirchenruine von Helfta zur Wende

Er betet an der Kirchenruine und wird krank...

Die beiden Geistlichen kommen ungehindert zur Kirche. Vor der Kirchenruine, dem Ort an dem die heiligen Frauen ihr großen Offenbarungen erlebten, wirft sich der Pilger aus dem fernen Spanien zu Boden. Er sinkt in tiefe Andacht.

Als er die Augen erhebt und den Greuel der Verwüstung sieht (der ehemalige Kirchenraum eine Mülldeponie), war er ernüchtert und erschüttert zugleich. Gerührt ging er einige Schritte auf der Erde, auf der einst die heilige Gertrud gegangen war. Aus dem Mauerwerk brach er einen Stein heraus und nahm ihn wie eine kostbare Reliquie mit sich.

Dann verließen ihn die Kräfte. Mühsam brachte ihn der Pfarrer ins Pfarrhaus zurück. Der Spanier war körperlich am Boden, die seelische Erschütterung war zu groß. Er war nicht imstande die Reise, wie geplant, fortzusetzen.

... so krank, dass die Polizei eingeschaltet werden muss

So blieb dem Pfarrer von Eisleben nichts anderes übrig, als wie es in der damaligen DDR Vorschrift war, den Gast innerhalb von 24 Stunden der Polizei zu melden.

Die leitende Beamtin, dem Pfarrer nicht übel gesinnt, erschrickt: „Um Gottes willen, Sie machen mir Ärger“. „Wie kam dieser Mann nach Eisleben?“ Für die DDR war das Königreich Spanien nicht existent. Es gab keine diplomatischen Beziehungen. Der Spanier war ohne gültige Reisedokumente eingereist. Er hatte die Transitstrecke Bundesrepublik – Berlin unerlaubt in Magdeburg unterbrochen und machte sich auf die Suche nach Helfta.

Ohne es zu wissen, brachte er nun seinen Gastgeber, der sich durch ihn strafbar gemacht hatte, in Gefahr. Und jetzt lag eer erkrankt im Pfarrhaus … Die Beamtin wusste keinen Rat. Sie ging in den Nebenraum und telefonierte mit der Parteizentrale in Berlin. Pfarrer Hübner wurde unfreiwilliger Zuhörer. Da kam die Anweisung: Ja, kein Ausehen. Den Mann, sobald er zu Kräften gekommen ist, abschieben!

Streifenwagen der Polizei zu DDR-Zeiten
"Wartburg"-Streifenwagen der Polizei

Der spanische Pilger wird abgeschoben

Pfarrer Hübner hatte seinen Helfta-Pilger nach Erfurt  zu bringen und ihn in den Zug nach Fulda zu stecken. Zeit und Fahrtroute wurden genau festgelegt.

Pfarrer Hübner versäumte es in seiner Fürsorge nicht, dem Pilger eine Anweisung für den Taxifahrer in Fulda zu geben. „Bringen Sie den Reisenden zum Frauenberg. Dort werden Sie für Ihren Dienst bezahlt.“

So ist es dann geschehen. Nach wenigen Tagen kam an das Pfarramt in Eisleben die Mitteilung des Guardians vom Frauenberg in Fulda: „Es hat alles gut funktioniert.“

Ein Bericht von Pfarrer Hübner

Drohnenaufnahme des Franziskanerkloster Frauenberg in Fulda
Franziskanerkloster Frauenberg in Fulda

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